Der Kommunikationswissenschaftler i.R., Prof. Dr. Hartmut Vinçon reicht angesichts der deutschlandweit durch die Bild-Zeitung losgetretenen Kampagne wegen Antisemitismus-Verdachts gegen Pfarrer, Kirchenvorstand und Kirchengemeinde der Michaelskirche Darmstadt sowie gegen die Evangelische Kirche Deutschlands das Dokument „Offener Leser Brief an die Redaktion des Darmstädter Echo“ einschließlich der Begleitbriefe an die Redaktion des Darmstädter Echos (sowie an Vorstand der Jüdischen Gemeinde Darmstadt und Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt, Hanno Benz) mit der Bitte um Publikation ein. Stellungnahmen der Angeschriebenen sind bis heute nicht erfolgt. Daher sieht er sich zu diesem Schritt genötigt.
liebe Frau Femppel, lieber Herr Heuwinkel, liebe Frau Scheuermann, lieber Herr Simon,
vor wenigen Tagen bin ich von einem längeren Auslands-Aufenthalt zurückgekehrt. Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen, als ich vergangenen Dienstag den ersten Artikel der Bild-Zeitung über den Weihnachtsmarkt der Michaelsgemeine Darmstadt las. In der Zwischenzeit habe ich ausführlich recherchiert und mich für einen Offenen Brief an das Darmstädter Echo (aber auch an andere Adressen) entschieden.
Ich weiß als Leser des DE Ihre redaktionelle Arbeit sehr zu schätzen. Auch war ich, liebe Frau Femppel, sehr über Ihren mutigen Bericht über Ihren Onkel beeindruckt und über dessen fürchterliche Vergangenheit erschüttert. Ich bin der Auffassung, dass in der öffentlichen Diskussion insbesondere in Darmstadt etwas schiefläuft. Zunächst hatte ich an einen Leserbrief an das DE gedacht. Bald wurde mir aber beim Konzipieren klar, dass dafür angesichts der Komplexität der Agenda zum Vorfall der Platz nicht ausreicht.
Ich bitte Sie alle, um eine Veröffentlichung und eine Stellungnahme zu meinem Offenen Brief. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass Raum bleibt für eine andere journalistische Wahrnehmung des sog. Vorfalls.
Mit besten Grüßen,
Hartmut Vinçon
vor wenigen Tagen bin ich von einem längeren Auslands-Aufenthalt zurückgekehrt. Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen, als ich vergangenen Dienstag den ersten Artikel der Bild-Zeitung über den Weihnachtsmarkt der Michaelsgemeinde Darmstadt las. In der Zwischenzeit habe ich ausführlich recherchiert und mich für einen Offenen Brief an das Darmstädter Echo (aber auch an andere Adressen) entschieden.
Ich bin der Auffassung, dass in der öffentlichen Diskussion insbesondere in Darmstadt etwas schiefläuft. Ich bitte Sie um eine Stellungnahme zu meinem Offenen Brief. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass Raum bleibt für eine kritische journalistische Wahrnehmung des sog. Vorfalls.
Mit besten Grüßen,
Hartmut Vinçon
vor wenigen Tagen bin ich von einem längeren Auslands-Aufenthalt zurückgekehrt. Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen, als ich vergangenen Dienstag den ersten Artikel der Bild-Zeitung über den Weihnachtsmarkt der Michaelsgemeinde Darmstadt las. In der Zwischenzeit habe ich ausführlich recherchiert und mich für einen Offenen Brief an das Darmstädter Echo (aber auch an andere Adressen) entschieden.
Ich bin der Auffassung, dass in der öffentlichen Diskussion insbesondere in Darmstadt etwas schiefläuft. Ich bitte Sie um eine Veröffentlichung und eine Stellungnahme zu meinem Offenen Brief. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass Raum bleibt für eine kritische journalistische Wahrnehmung des sog. Vorfalls. Wer dessen Skandalisierung durch die Bild-Zeitung kritiklos akzeptiert, befördert, ob er es will oder nicht den Hass, der jetzt viral durch die sozialen Netzwerken verbreitet wird.
Mit besten Grüßen,
Hartmut Vinçon
vor wenigen Tagen bin ich von einem längeren Auslands-Aufenthalt zurückgekehrt. Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen, als ich vergangenen Dienstag den ersten Artikel der Bild-Zeitung über den Weihnachtsmarkt der Michaelsgemeinde Darmstadt las. In der Zwischenzeit habe ich ausführlich recherchiert und mich für einen Offenen Brief an das Darmstädter Echo (aber auch an andere Adressen) entschieden.
Ich bin der Auffassung, dass in der öffentlichen Diskussion über Antisemitismus insbesondere in Darmstadt etwas schiefläuft. Ich bitte Sie um eine Veröffentlichung und eine Stellungnahme zu meinem Offenen Brief. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass Raum bleibt für eine kritische journalistische Wahrnehmung des sog. Vorfalls. Wer dessen Skandalisierung durch die Bild-Zeitung kritiklos akzeptiert, befördert, ob er es will oder nicht den Hass, der jetzt viral durch die sozialen Netzwerken verbreitet wird.
Mit besten Grüßen,
Hartmut Vinçon
Antisemitismus ist keine Meinung, sondern
eine menschenverachtende Haltung
in Wort bzw. Tat.
(Pfarrer Manfred Werner. Michaelsgemeinde Darmstadt)
Hartmut Vinçon,
Darmstadt, den 22.12.2024
Sehr geehrte Lokalredaktion des Darmstädter Echo,
eine Frage steht im Raum: Wer hat denn den „Anti-kolonialistischen Weihnachtsmarkt“ (14./15.12.) der Michaelsgemeinde Darmstadt skandalisiert? Ich stelle im Folgenden die unterschiedlichen Positionen in ihrer Widersprüchlichkeit einander gegenüber.
Die Headlines der Bild-Zeitung lauteten am Dienstag (17.12.): Antisemitismus-Skandal in Darmstadt: „Judenhass auf dem Kirchen-Weihnachtsmarkt“, am Donnerstag (19.12.): „Kripo jagt Judenhasser vom Kirchen-Weihnachtsmarkt“. Die Bild-Zeitung als Auslöser für die Skandalisierung wird in der Berichterstattung des Darmstädter Echos (DE) mit keinem Wort erwähnt. Erwähnt aber wird im Artikel des DE „Eklat um Antisemitismus-Vorwurf“ (19.12.) der Frankfurter Verein Honestly Concerned e.V., der sofort Bilder mit Slogans und weiteren Motiven im Netzwerk Facebook hochgeladen hatte. Wer dieser Verein ist, darüber gibt das DE keine Auskunft. Das wäre gegenüber ihrer womöglich unwissenden Leserschaft für eine kritische Berichterstattung aber nötig.
Wer ist also der gemeinnützige Verein Honestly Concerned?
Als ich dessen Website anklicke, warnt mich mein Computer (Browser Firefox) erstmal: „Mögliches Sicherheitsrisiko erkannt. Angreifer könnten versuchen, Passwörter, E-Mails etc. zu stehlen“. Ich klicke trotz der Warnung. Inhaltlich verantwortlich für die Website ist Sacha Stawski. Seit November 2009 Vorsitzender von ILI – I like Israel e.V. Er ist außerdem seit Mai 2002 Vorsitzender und Chefredakteur der Initiative Honestly Concerned, die sich gegen Antisemitismus und für eine wahrhaftige Berichterstattung einsetzt. Darüber hinaus ist er Immobilienkaufmann (so die Auskunft des Verlags für Berlin-Brandenburg, in dem er veröffentlicht). Gelegentlich veröffentlicht er Artikel in der Jüdischen Allgemeine. ILI – I LIKE ISRAEL ist eine Website, die News sendet und über „Israeltag, Deutscher & Europäischer Israelkongress“ berichtet. Im Impressum steht: „Aus gutem Grund lassen wir unsere Webseite von der I Like Israel Initiative ILI Inc in Nigeria betreiben.“ (Ebenso wird Honestly Concerned von I Like Israel in Nigeria betrieben.) Aus welchem Grund wird nicht erläutert.
In „Über uns“ auf Honestly Concerned heißt es: „Alarmiert von Israel-feindlichen Presseberichten, wie antijüdischen Äußerungen von Politikern und öffentlichen Persönlichkeiten in Deutschland und Europa, beschlossen wir zu handeln. Honestly Concerned setzt den Schwerpunkt unserer Arbeit auf Medienbeobachtung und Reaktionen darauf. Wir sind überzeugt davon, dass eine wahre und aufrichtige Berichterstattung ein unverzichtbarer Bestandteil demokratischer Gesellschaften ist. Antisemitismus in all seinen Formen, Fremdenhass und Intoleranz dürfen da keinen Platz haben.“
Dieser prinzipiellen Aussage stimme ich voll und ganz zu.
Weiter heißt es: „Wir sind bereits in einer Reihe von Städten der Bundesrepublik aktiv, z. B. in Frankfurt, München und Berlin“, offenbar auch in Darmstadt unter „Darmstadt – Honestly Concerned e.V.“ Sacha Stawski/Honestly Concerned plädiert für „den Aufbau weiterer regionaler Gruppen“ insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland.
Das halte ich für problematisch, wie sich das an der Skandalisierung des Weihnachtsmarkts der Michaelsgemeinde zeigen lässt.
Angezeigt wurde die Michaelsgemeinde anlässlich des Weihnachtsmarkts wegen eines Verdachts auf Volksverhetzung über Honestly Concerned und die Bild-Zeitung. Daraufhin stellten die Jüdische Gemeinde Darmstadt, die Evangelische Kirche Hessen-Nassau (EKHN) u.a. Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt.
Gut, dass Strafanzeige um der Aufklärung willen gestellt wurde.
Zu den Fakten! Es geht um politische Symbole und Symbolpolitik:
Angezeigt wurde das Zeigen der palästinensischen Flagge. Das Zeigen der Flagge ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht verboten, es sei denn in hetzerischem Kontext. Zu Recht ist in Deutschland, das sei betont, strafbar, Flaggen zu verbrennen, wie z.B. in Hanau das Verbrennen der israelischen Flagge.
Angezeigt wurde der Verkauf von Schlüsselanhängern, die teils mit dem Button der Palästinensischen Flagge, teils mit dem Button des roten Dreiecks aus der Palästinensischen Flagge zum Kauf angeboten wurden. Seit dem 8.10.2024 stuft das Bundesinnenministerium Bildnisse von Hamas-Führern und das rote Dreieck als verbotene Kennzeichen ein. Zu letzterem fügt das Bundesinnenministerium einschränkend hinzu, wenn es zur feindlichen Markierung von Personen und Institutionen benutzt wird. Ob das rote Dreieck auf einem Schlüsselanhänger dazu dienen kann, damit Feinde zu markieren, wäre gerichtlich zu klären.
Angezeigt wurde der Slogan „From the river to the sea“ in Berufung auf das Verbot der Parole in sämtlichen Sprachen durch das Bundesinnenministerium am 2.11.2023. Ob die unabhängige Parole im Einzelfall strafbar ist oder nicht, muss – laut Staatsanwaltschaft – jedoch der Kontext entscheiden.
Angezeigt wurde der Verkauf von Stofftaschen, auf denen ausschließlich der Umriss einer Landkarte mit dem Namenszug „Palestine“, auch auf Arabisch, abgebildet ist. Bemerkenswert ist, wohl ein Verschreiber ?, dass vom DE diese Landkarte als „Israelkarte“ deklariert wird. Mit dem Verkauf der Anhänger, Taschen und Süßwaren, werde, so das DE (20.12.) „das Existenzrecht Israels geleugnet“.
Angezeigt wurde der Verkauf von Plätzchen mit den Slogans: What would Jesus say? (ein Martin Niemöller-Zitat), Ceasefire now, Palestinian lives matter und Never again for everyone. Die Bild-Zeitung behauptet, bei diesen Parolen handele es sich “um versteckten Judenhass” (17.12.) Mit dem Verkauf der Anhänger, Taschen und Süßwaren, werde, so das DE (20.12.) „das Existenzrecht Israels geleugnet“.
„Nie wieder“, das war ursprünglich die Parole „Nie wieder Krieg“, die auf einem von Käte Kollwitz gestalteten Plakat 1924 wiedergegeben war. „Nie wieder“ wurde als Formel bis heute mehrfach übernommen. Theodor W. Adorno schrieb in „Erziehung nach Auschwitz“, die „Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung“. Mit „Auschwitz“ war von ihm im nachfolgenden Satz „Völkermord“ gemeint. Ausschwitz wiederholt sich geschichtlich selbstverständlich nicht auf ein und dieselbe Art und Weise. Adorno warnte im Kontext vor der „Erfindung der Atombombe, die buchstäblich mit einem Schlag Hunderttausende auslöschen kann“ und „in denselben geschichtlichen Zusammenhang hineingehört wie der Völkermord“. Das muss heute ergänzt werden durch den Hinweis auf den grauenvoll barbarischen Einsatz modernster Waffensysteme zum Völkermord, von denen Politiker und Militär im Ersten und Zweiten Weltkrieg ‚nur‘ träumen konnten.
„Never again“ muss in der Tat für jeden und alle Menschen gelten, und es ist eine furchtbare Unterstellung, wenn der Hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker schreibt, mit diesem Slogan würde „der Krieg Israels gegen die Hamas in Gaza mit dem Holocaust an den Juden gleichgesetzt.“
Dies alles muss vor Gericht geklärt werden, statt die Michaelsgemeinde öffentlich vorzuverurteilen. Tendenziell handelt es sich um Anmaßung, wenn im DE steht, „die Öffentlichkeit“ sei „fassungslos“ darüber, was „alles zur Schau gestellt wurde“ (19.12.). Weder das DE (Lokal-redaktion) repräsentiert allein die Darmstädter Öffentlichkeit noch andere Darmstädter Institutionen, sondern bekanntlich besteht Öffentlichkeit aus vielen Teil-Öffentlichkeiten, und eine davon ist das DE. Bestritten wird sie auch von „Honestly Concerned“. Auf ihren Seiten wird kritiklos die Politik der israelischen Regierung unter dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vertreten. Wie das Existenzrecht des Israelischen Staates darf aber auch das Existenzrecht eines palästinensischen Staates nicht in Frage gestellt werden.
Wenn Honestly Concerned als Anzeigen-Plattform (anstelle des Worts Denunziation?) fungiert, dann stellt sie die guten Vorsätze infrage, die sie in ihrer Präambel formuliert, ein kritischer Medienbeobachter zum Thema Antisemitismus-Hetze zu sein, wenn auf ihrem Facebook-Account z.B. behauptet werden darf: „Morddrohungen? Sorry, aber bei allem Ärgernis über diesen Pfarrer, können wir uns dies nicht vorstellen.“
Es ist schade um die Stadt Darmstadt, wenn ihr droht, zivilgesellschaftlich den Ruf zu verlieren, eine offene Stadt zu sein. Der städtische Dialograum sollte offenbleiben und nicht geschlossen werden. Oberbürgermeister Hanno Benz glaubt, einen antisemitischen Narrativ bei dem Weihnachtsmarkt der Michaelskirche zu erkennen, wenn er schreibt, es seien „ganz klar antisemitische Erzählmuster“ aufgenommen worden (DE 19.12.).
Die Lokalredaktion des Darmstädter Echos setzt sich der Gefahr des Vorwurfs aus, nicht selbständig recherchiert zu haben, da sie ihre Informationen weitgehend aus Bildzeitung und Honestly Concerned ungeprüft übernommen hat (19.12./20.12.)
Die Skandalisierung des Weihnachtsmarktes der Michaelsgemeine durch die Bild-Zeitung und Honestly Concerned hat bundesweit die deutschen Medien erregt, und in den sozialen Netzwerken wütet ein Shitstorm gegen die Michaelsgemeinde und ihren Pfarrer mit wüsten Beschimpfungen und Morddrohungen. Ich kann nur davor warnen: mit Skandalisierungen vergiften wir die öffentliche Debatte und befördern, statt jene auszubremsen, Hetze und Rechtsruck in der Bundesrepublik. Gegen den Pfarrer der Michaelsgemeinde hat nun wegen des Verdachts auf Volksverhetzung die Staatsanwaltschaft Darmstadt Ermittlungen aufgenommen (DE 21.12.)
Der Pfarrer der Michaelsgemeinde ist kein Hassprediger. Ich kenne ihn aus dem von der Michaelsgemeinde angebotenen Treffpunkt Friedenscafé. Bei einem Treffen im Sommer 2024 informierte z.B. eine jüdische Bürgerin der Stadt Darmstadt über die unabhängige, israelische Friedensorganisation Women Wage Peace. Mit über 47.000 Mitgliedern ist diese Organisation die größte und wirkungsvollste Friedensorganisation in Israel. Ich nehme wahr, dass der Pfarrer der Gemeinde sich durch konstruktive und praktische Friedensarbeit aufrichtig für Versöhnung und Frieden in der Stadt und in der Gemeinde einsetzt.
Absolut ist der terroristische Überfall der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verurteilen. (Hartmut Vinçon)
„Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat am 21. November 2024 Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, den ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant und den Hamas-Führer Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri Deif (Mohammed Deif) erlassen. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.“ (Amnesty International, November 2024)
Mit freundlichen Grüßen,
Hartmut Vinçon
Darmstadt, den 22.12.2024
© Hartmut Vinçon. Dezember 2024